Die Biografie über Johann Sebastian Bach für Kinder

 


 

Johann Sebastian Bach – Eine Biografie für Kinder als Papierbuch

von Peter Bach jr. und Petra-Ines Kaune

Artikel-Nr.: 30.001

 

Gebundene Ausgabe: 172 Seiten

Verlag: Renate Bach Verlag – Bach 4 You

ISBN: 978-3-945760-00-0 

  

Eine coole Biografie über den Komponisten Johann Sebastian Bach. Liebevoll illustriert mit Aquarellen und Bildern. Lesen Sie zum Inhalt unter dem „Blick ins Buch“.

 

Dieses Buch gibt es auch als eBook und auch als Hörbuch in drei Varianten.

Johann Sebastian Bach - Eine Biografie für Kinder

22,90 €

  • 0,84 kg
  • verfügbar
  • 1 - 2 Arbeitstage Lieferzeit

Blick ins Buch

 


Inhalt

 

Es ist fast eine Reise zurück in der Zeit, als Balthasar seinem allerbesten Freund Vitus, beides kleine Barockengel, über das Leben des größten Musikers auf der Erde und aller Zeiten erzählt. Und dieser Komponist Johann Sebastian Bach hatte nicht nur zwanzig Kinder gehabt, war der tollste Tondichter in der größten Musikerfamilie der Welt und spielte sogar vor zwei Königen, sondern er hat in seinem Leben auch so manches Abenteuer erlebt. So spannend hatte sich Vitus die Geschichte über einen Musikanten, der vor dreihundert Jahren lebte, nicht im Traum vorgestellt.

 

172 Seiten Text in einem herrlich leichten Schreibstil sind illustriert mit Aquarellen von Vitus, Balthasar und Johann Sebastian. Einige wenige Fotos von Städten und Orten, in denen der Komponist wohnte, wirkte oder spielte, bieten eine kleine Orientierung, wie heute aussieht, was vor 300 Jahren Bachs Heimat und Wirkungsstätten waren.

 


Leseprobe

Kapitel 1

 

„Hallo. Ich bin Balthasar. Einfach nur Balthasar. Und meine Freunde nennen mich Balti. Ich bin ein kleiner Barockengel. Von uns gibt es viele. Wir haben alle ganz unterschiedliche Aufgaben. Ich wollte einmal Schutzengel werden. Aber das ist eine sehr, sehr anstrengende Aufgabe für einen kleinen Barockengel. Und nun bin ich eben ein kleiner Engel, der ganz viele Geschichten weiß. Und sie auch richtig gut erzählen kann. Ich hätte auch ein kleiner Barockengel werden können, der gerne Musik macht. Aber ich fand, Geschichten zu erzählen, ist spannender. Vitus ist auch ein kleiner Barockengel. Vitus ist mein allerbester Freund.“

         So stellte sich der kleine Barockengel Balthasar immer vor, wenn er sein Publikum begrüßte, denn eigentlich erzählte er seine Geschichten immer vielen gespannten Zuhörern: also Engeln, die bis jetzt noch nicht wussten, wie viel Spaß Zuhören macht. Und Kindern. Und manchmal, ja, manchmal auch Erwachsenen, die so erwachsen waren, dass solche Geschichten eigentlich, ja, eigentlich nicht für sie gedacht waren. „Hallo“, sagte Vitus auf seiner kleinen, weißen Nachbarwolke. „Ich mache gerne Musik. Ich kann nicht so gut Geschichten erzählen. Los, Balti, erzähl’ die Geschichte vom Zipfelfagotist“, plapperte Vitus einfach dazwischen. „Es heißt Zippelfagottist - statt dem ‚f’ ein zweites ‚p’. Und zwei ‚t’ später.“ „Woher weißt du, dass ich es mit einem ‚t’ geschrieben hätte?“, entgegnete Vitus. „Ich kenne dich gut – und die Geschichte mit dem Zippelfagottist erzähle ich später. Erst viel später. Wie gut, Vitus, dass du dich um die Musik kümmerst. Du würdest Geschichten in der Mitte beginnen. Ohne vorher zu sagen, um was es geht und um wen es sich handelt.“ „Das stimmt“, entgegnete Vitus kleinlaut. Und er wurde auch ein klein wenig rot.

         „Soll ich denn Musik machen, während du erzählst, Baltilinium?“ „Nenn’ mich doch nicht Baltilinium, ich finde das doof. Ich heiße Balthasar. Oder, wenn du möchtest, Balti. Ich sage ja auch nicht Vitutissimo zu dir oder Vitusselino.“ „Kannst du dann wenigstens erzählen, was ein Barockengel ist? Was ist denn Barock überhaupt? Hat man da einen Rock an?“ Balthasar musste nachdenken. Alles fiel auch ihm nicht immer sofort ein. Und wenn es ihm doch sofort einfiel, dann wusste er natürlich nicht gleich, wie er es perfekt erzählen sollte. Und auch so, dass es sein allerbester Freund Vitus ebenfalls verstand. „Barock war …“, überlegte er, aber er hatte schon angefangen zu sprechen. So stockte er ein wenig. „Also, Barock nannten die Menschen eine Zeit, in der alles so ein bisschen schnörkeliger war.“ „Schnörkeliger, aha“, sagte Vitus und dann, „schnörkeliger? Was meinst du, Balti?“ „Na, alles war irgendwie verspielter. Das fanden viele damals gut. Am besten kann man es bei Gebäuden heute noch sehen und auch bei Gemälden. Ja, bei Gemälden ganz besonders! Und auch bei Bilderrahmen und bei Stühlen. Das ist übrigens die Zeit, in der wir kleinen Engelchen besonders in Kirchen, aber auch in Schlössern und in Palästen zu sehen sind. Auf Bildern, aber auch in Stein: Sandstein, Marmor und – ja und noch ein Stein fällt mir gerade nicht ein. Und diese Schnörkel gab es auch in der Musik. Man kann nämlich solche Schnörkel auch in die Musik einbauen.“ „Wie geht das denn?“, fragte Vitus erstaunt. „Weiß auch nicht. Ich hab’s gelesen. Aber Johann Sebastian Bach – der hat es wohl ganz besonders gut gekonnt.“

         „Jo - hann Se - bas - ti - an und Bach“, sagte Vitus gedehnt. „Das habe ich schon einmal gehört. Ich glaube, das stand in meinem Musikbuch. Ich glaube, von dem ist ein Lied – nein zwei – die ich schon einmal auf meiner Geige geübt habe.“ Vitus war ganz aufgeregt. „Und der macht also Barock!“ „Nein, nein“, sagte Balthasar, „Johann Sebastian Bach lebte in dieser Zeit, die man Barock nannte. Er hat nicht Barock gemacht. Er hat Musik gemacht.“ Vitus unterbrach Balthasar schon wieder: „Also, du meinst, er hat Musik gespielt. Zum Beispiel mit einer Geige oder auf dem Klavier.“ „Nein“, sagte Balthasar, „ich meine, dieser Johann Sebastian hat Musik gemacht. Erfunden sozusagen. Aber genau das ist ja die Geschichte. Die Geschichte, die ich dir jetzt erzählen will.“

         Vitus war gespannt darauf, wie und vor allem, wann es denn nun anfing mit dem Barock und diesem Musikerfinder. „Wo wohnt denn dieser Johann Sebastian Bach?“ Vitus hatte sich begeistert und wollte nicht nur mehr wissen, er wollte es gleich wissen. „Bach lebt heute nicht mehr“, sagte Balthasar. „Das ist aber traurig, dann schreibt er wohl auch keine Musik mehr?!“ „Nein, kann er ja nicht, aber er hat so viel davon geschrieben, dass sich immer mehr und mehr Menschen diese Musik anhören. Aber nun frag’ mir mal keine Löcher in den Bauch. Sonst kann ich nie mit dem Anfang dieser tollen Geschichte beginnen. Mach's dir also gemütlich, kuschele dir deine kleine Wolke zurecht und spitz’ die Ohren. Menschen wie diesen Johann Sebastian Bach gibt es nicht sehr viele. Und es gibt sie nicht sehr oft. Eigentlich sogar nur ganz, ganz, ganz selten. Fast nie.“ Fast nie, das war selten genug für Vitus. Nie kannte er, fast auch. „Dann“, so brach er hervor, „war dieser Bach etwas Besonderes? Etwas ganz Besonderes auf der Welt?“ Und obwohl kleine Barockengel über viel, wirklich viel, viel Zeit verfügen, schüttelte Balthasar den Kopf, weil ihn Vitus schon wieder unterbrochen hatte. Er ließ die Flügel ein klein wenig hängen, schmunzelte dann aber doch und klopfte sich nun seine Wolke zurecht. Sodass jetzt auch seine Wolke bequem und kuschelig war. „Willst du nun die Geschichte hören? Die von Johann Sebastian Bach? Und zwar ganz von vorne? Oder willst du mich weiter fragen und ich erzähle dir schon alles vorweg? Und die ganze Geschichte ist dann kaputt, weil du ja dann alles schon irgendwie weißt?“ Vitus kicherte, strahlte gleich danach über das ganze kleine Engelsgesicht und sagte feierlich: „Balthasar, mein bester Freund, bitte, beginne mit deiner Geschichte und ich gelobe, dich nicht zu unterbrechen. Also dich kaum zu unterbrechen. Ach, was sag’ ich, wahrscheinlich habe ich schon nach dem ersten Satz eine Frage – aber wir können es ja ‘mal probieren. Ich gebe mir Mühe. Versprochen.“

 

 

 

Kapitel 2

 

Balthasar und Vitus hatten es sich – jeder auf seiner eigenen, kleinen, weißen Wolke – richtig gemütlich gemacht. Vitus schaute seinen Freund erwartungsvoll an. „Ach, noch etwas“, sagte Vitus, als Balthasar tief Luft holte, um zu beginnen. „Was denn?“ Balthasar rollte die Augen nach hinten. „Wenn ich etwas nicht verstehe – kann ich dich denn dann unterbrechen? Denn sonst verstehe ich ja die ganze Geschichte nicht.“ „Klar kannst du dann fragen, sonst verstehst Du ja die ganze Geschichte nicht“, papageite Balthasar und holte wieder Luft. Und da war sie schon, die erste Frage. Wie in der Schule, im Klassenzimmer, hob Vitus in diesem Fall deutlich sichtbar die Hand, bevor er fragte. Er wartete deshalb aber keineswegs ab, als er munter losplapperte. „Wenn das ...“, begann er, „wenn das eine Geschichte ist, ist es denn auch ein bisschen wahr? Oder ist es das Märchen von Johann Sebastian Bach?“ Balthasar lachte mit einem typischen Barockengel-Lachen, auch ein wenig verschmitzt, und schüttelte den Kopf. „Das meiste ist wahr!“ Damit wollte er dieser Frage ein wenig aus dem Weg gehen. „Aber“, setzte Vitus nach, „ein bisschen ist es auch geschwindelt?“

         Balthasar musste nachdenken. Nicht darüber, ob ein Teil der Geschichte geschwindelt ist. Sondern darüber, wie er es Vitus am besten erklärte. „Schau, Vitus, ein Märchen ist eine Erzählung, die nicht wirklich wahr ist. Da gibt es Zauberer und Feen und Trolle. Oder Hexen, die aber auch nicht immer böse sind.“ Balthasar gab sich große Mühe, dass Vitus keinen Schreck bekam. Weil er doch von Hexen erzählte und von Zauberern und von Feen. Drachen erwähnte er aus gutem Grunde nicht. „Ich bin doch ein kleiner Barockengel, der Geschichten erzählt – und Geschichten sind keine Märchen. Meistens. Geschichten sind meist das, was einmal passiert ist. Vor langer, sehr langer, eigentlich ganz langer Zeit. Oft sind es viele, viele, viele Jahre. Und die Geschichte von Johann Sebastian Bach – sie ist zur einen Hälfte über 300 Jahre alt, zur anderen über 250 – ist wahr.“

         Balthasar hörte sich selber diese eigenartige Beschreibung sagen. Und natürlich wurde auch Vitus hellhörig. „Wie geht denn das?“ „Nun ja“, meinte da Balthasar, „Johann Sebastian Bach wurde vor mehr als 300 Jahren geboren und lebte bis vor mehr als 250 Jahren.“ Es klang nicht sehr überzeugend. Und Vitus konnte dem auch nicht so ganz folgen. „Die Geschichte von Johann Sebastian ist also vor sehr, sehr langer Zeit so passiert, wie ich sie dir jetzt erzählen werde. Damit es wirklich spannend wird, habe ich persönlich ...“ – Balthasar setzte sich ganz aufrecht hin – „… es noch sehr, sehr viel spannender gemacht“, sagte er feierlich. „Das habe ich gelernt. Deswegen bin ich ja ein kleiner Barockengel, der sich aufs Geschichtenerzählen versteht.“ „Und ich bin ein kleiner Barockengel, der gut Musik machen kann“, sagte Vitus, obwohl das ja gar nicht hierhergehörte. „Alles Wichtige“, fuhr Balthasar fort, „ist wirklich vor ganz langer Zeit so passiert. Aber damit es richtig Spaß macht, zu hören, was alles passiert ist, genau deswegen habe ich es hier und da ein klein wenig spannender gemacht.“

         Balthasar wurde nun etwas ungeduldig. Er wollte gerne anfangen zu erzählen. Aber Vitus hatte eben eine Frage nach der anderen. Allerdings – genau jetzt, in diesem Moment, als Balthasar die nächste Frage erwartete – hatte Vitus keine Frage mehr. Und er sah Balthasar erwartungsvoll an.

         Balthasar holte Luft. Eigentlich holte er tief Luft, sehr tief: „Es war einmal ...“ „aber so beginnen Märchen“, prustete Vitus los. Doch er bemerkte, dass Balthasar leicht gereizt und sogar ein klein wenig ärgerlich schaute. „So beginnen aber auch wahre Geschichten“, fuhr Balthasar fort. „Also – es war einmal – lange, lange Zeit, bevor Johann Sebastian Bach lebte, ein kleiner Ort in Thüringen. Thüringen liegt in der Mitte von Deutschland und dann rechts“, ergänzte Balthasar. „Dieser kleine, gemütliche Ort war Wechmar und die wunderschöne, größere Stadt, gleich in der Nachbarschaft, hieß Gotha. Das ist eine lange, lange Zeit her – es sind sogar über 400 Jahre. Und natürlich heißen beide Orte auch heute noch so.

         Damals war das Leben viel, viel härter und Menschen mussten oft ihre Heimat verlassen, weil Krieg herrschte. Und auch, weil es verschiedene Religionen gab. Und immer vertrieben die Stärkeren die Schwächeren aus ihrer Heimat.“ „Verstehe ich nicht“, murmelte Vitus, der aufmerksam zuhörte. „Warum vertreiben die Stärkeren die Schwächeren?“ „Das, Vitus, ist jetzt zu schwierig zu erklären“, schüttelte Balthasar den Kopf. „Und das ist jetzt auch nicht so wichtig. Wenn wir beide größer sind, dann verstehen wir das besser. Ich ... weiß es eigentlich nämlich auch nicht.

         Auf jeden Fall ist kurz vor dem Jahre 1600, vielleicht war es auch ein paar Jahre früher oder später, der Ururgroßvater des berühmten Musikers in dieses kleine Dorf Wechmar bei Gotha in Thüringen gezogen.“ „Das klingt aber lustig, diese Uren vor dem Opa. Das habe ich ja noch nie gehört. War der denn über 100 Jahre alt? Dieser Johann Sebastian und wie heißt er noch?“ „Bach“, sagte Balthasar. „Oder war er gar 150 oder sogar 200 Jahre alt?“ setzte Vitus nach.

         „Vitus“, ermahnte ihn Balthasar. Der Ururopa von Johann Sebastian und Johann Sebastian kannten sich nicht. Natürlich ist der Ururopa gestorben, lange bevor Johann Sebastian zur Welt kam. 1619 war das. 1619 ist er gestorben. In Wechmar. Aber vorher war er in Wechmar Bäcker. Ein Bäcker war er auch schon dort, von wo er fliehen musste. Wegen seiner Religion.“ „Und wo lebte er vorher?“ warf Vitus ein und wie überhaupt heißt der Opa von Johann Sebastian?“ „In Ungarn“, antwortete Balthasar wie aus der Pistole geschossen zur ersten Frage. „Und es war nicht der Opa von Johann Sebastian, sondern der Ururopa.“ „Meine ich doch. Und wie hieß der?“

         „Veit hat er geheißen.“ „Veit?“, fragte Vitus ungläubig. „Das klingt aber mal ähnlich wie mein Name“, sagte er versonnen. „Okay, Veit Bach also, er hieß doch auch Bach, richtig?“ Vitus war ganz bei der Sache. „Und er war ein Bäcker, sagst du?“ „Ja, er arbeitete in einer Mühle in Wechmar. Und nicht nur er, sondern mit ihm lebte auch noch ein Hans Bach. Das war der Sohn von Veit“. Vitus lachte ein wenig, aber plötzlich schüttete er sich aus vor Lachen. „Dann kann man ja eine Ur streichen, wenn das der Sohn von Veit war. Dann war der Hans ja der Uropa von Johann Sebastian. Hat er den denn gekannt?“ „Nein“, sagte Balthasar mit einem vergnüglichen Lächeln. „Das ist immer noch zu weit in der Vergangenheit. Der Sohn von diesem Hans hieß übrigens Christoph. Aber lass’ uns weitermachen mit der Geschichte.

         Veit also, und das erzählte Johann Sebastian nun selber, war demnach der Erste, der in der Bach-Familie Musik gemacht hat. Also genau genommen, nicht der Erste, sondern sogar der Allererste. Als Veit das Korn in der Mühle mahlte, spielte er auf einer Zither. Damals hatte man ja für viele Dinge andere Namen gehabt und so hieß diese Zither zu dieser Zeit Cythringen. Und dieses Cythringen war auch ein ganz klein wenig anders als eine Zither heute. Johann Sebastian erzählte, Veit konnte gut zum Takt der Mühle spielen. Denn geklappert hat es ja immer, und wenn das Wasser so schön gleichmäßig über das Wasserrad floss, dann hörte sich das zu einer Melodie eben besonders schön an.

         Und weil der Papa von Hans so schön spielte, hatte der eben auch seinen Spaß dran und machte ebenfalls gerne Musik. Und so wurde dieser Hans der zweite Musikant in der Familie. Und musizieren, das konnte er gut. Richtig gut. So gut, dass ihn die Leute im Dorf Hans, der Spielmann nannten.“ „Wo genau lebten denn die beiden, bevor sie nach Wechmar kamen?“, fragte Vitus. Balthasar entgegnete: „Da ist man sich gar nicht so ganz sicher. Das weiß ich nicht, niemand weiß das. Wo genau in Ungarn, darüber haben schon viele Forscher gerätselt. Und sie tun das heute noch.“

         Vitus wurde ein wenig ungeduldig auf seiner Wolke und setzte sich in den Schneidersitz. „Kommt noch mehr über die Opas von Johann Sebastian? Oder kommt er jetzt in der Geschichte vor?“ „Warte doch einen Moment. Sei nicht so ungeduldig“, ermahnte ihn Balthasar, aber ganz und gar herzlich. „Es ist wichtig, weil dieser Ururopa der Grund ist, dass aus Johann Sebastian ein so toller Musiker geworden ist. Und wenn du noch ein klein wenig Geduld hast, dann kommt auch schon bald die Geschichte mit dem Zippelfagottist. Und auch die, als Johann Sebastian ins Gefängnis musste und auch die, als der junge Johann Sebastian seinen Degen gezogen hat. Aber zuerst – müssen wir am Anfang beginnen. Sonst – ist ja alles durcheinander!

         Also, wo waren wir? Ach ja, Hans der Spielmann. So nannten sie den Sohn von Veit in Wechmar. Selbstverständlich hatte auch er Kinder, aber von denen erzähle ich dir ein anderes Mal. Wichtig ist nur: Natürlich haben auch die Kinder von Hans Musik gemacht. Und die Onkel und Tanten und Neffen und Cousins von ihnen musizierten ebenfalls. So viele Kinder, Enkel und Urenkel und dazu auch noch Urururenkel von Veit Bach machten Musik, dass diese Bachs bis heute die größte und berühmteste Musikerfamilie der Welt sind.

         Und noch eins: Johann Sebastian Bach selbst hat einmal zusammengestellt, wie viele Verwandte er hatte, die alle Musik spielten. Er selbst machte eine Liste, in der er alle Männer, ganz junge und auch alte, in seiner Familie aufschrieb, die ihm so einfielen. Wenn sie denn nur Musik machten. Und er gab dieser Liste einen wirklich komischen Namen. Er nannte sie den Ursprung der musicalisch-Bachischen Familie. Aber irgendwie verstehen kann man den Namen auch noch heute. Nur würde das niemand mehr so sagen. Allerdings: Frauen sind da keine dabei: nicht Johann Sebastians Mutter, die ebenfalls aus einer Musikerfamilie stammte. Und auch nicht Johann Sebastians Frau Anna Magdalena, noch eine Musikerin. Aber – so war das damals. Männer waren früher einfach mehr wert als Frauen. Viel mehr.“

         „Komisch!“, entwich es Vitus leise. „Natürlich wohnten nicht alle Bachs in dem kleinen Wechmar. Denn in der Zwischenzeit haben alle diese Familienmitglieder nicht nur zum Spaß Musik gemacht, sondern damit auch ihr Geld verdient. Das konnte man damals in der Kirche oder an Fürstenhöfen.“ „Was in aller Welt ist denn ein Fürstenhof?“ Vitus kratzte sich am Kopf, denn das hatte er noch nie gehört. Fürsten.

         „Ich erkläre es mal einfach, lieber Vitus: Früher gab es Adelige und normale Menschen. Normale Menschen waren zum Beispiel Bäcker, Bauern und Kaufleute. Und es gab Menschen, die Schlösser besaßen und Burgen. Und viel, viel Land. Und die besaßen natürlich auch sehr viel Geld. Noch heute gibt es solche Menschen: Adelige heißen sie heute noch und normale Menschen informieren sich über sie in Zeitungen, in Zeitschriften und besonders im Fernsehen und im Internet.

         Nur eines ist anders als früher: Heute besitzen Fürsten keine Menschen mehr. Das war früher anders. Ein Mensch war in einem Fürstentum Besitz des Regenten.“ „Und was bitte ist ein Regent?“ „Ein Regent ist der, der regiert. Der, der sein Reich regiert. Sein Fürstentum eben. Und auch die waren nicht alle gleich. Da gab es Kaiser und Könige, Kurfürsten und normale Fürsten. Herzöge und Grafen, Barone und weiß ich nicht alles, was sonst noch mehr.“ „Dann ist das jetzt klar“, sagte Vitus nachdenklich und er war mächtig stolz darauf, etwas so Seltsames nun zu wissen. Man wusste nie, wann man damit jemanden einmal so richtig beeindrucken könnte.

         „Fürsten, also! Für die konnte man Musik machen. Klar, und in einem Ort, selbst in einer Stadt konnte es keine zwanzig Fürsten geben. Das gäbe ja ein Hallo.“ Das dachte Vitus nur, das sagte er nicht laut. „Also“, fuhr Balthasar fort, verbreiteten sich diese Söhne und Töchter und Enkel und Urenkel von Veit immer mehr in Thüringen. Es war wirklich erstaunlich: Diese Bachs waren inzwischen so gut beim Musizieren, dass sie irgendwann eine Stelle sofort erhielten, nur – weil sie Bach hießen! Musik mussten sie natürlich spielen können. Aber, das ist ja logisch.

         Jedenfalls sind es bis heute ungefähr 150 Musiker, die alle Bach heißen und Musik machten. Aber die spielten nicht mehr nur in Thüringen, sondern sie wanderten auch in Städte außerhalb Thüringens und manche fuhren auch mit der Kutsche. Zuerst bis nach Holland, Mailand in Italien und London in England. Schließlich reisten sie sogar mit Schiffen bis ins ferne, wirklich weit entfernte Amerika.“ „Das geht mir zu schnell.“ Vitus holte tief Luft. „Ein bisschen noch, dann habe ich den ersten Teil erzählt.“ „Und dann kommt Johann Sebastian?“ „Ja, Vitus, dann kommt Johann Sebastian Bach an die Reihe.“ freute sich Balthasar. „Einer der vielen Bachs schließlich – war Johann Ambrosius Bach. Johann Ambrosius Bach war der Vater von unserem Johann Sebastian.“

         „Wollen wir eine Pause machen?“, schlug Vitus vor. „Und wir könnten in der Pause einen Schluck trinken, was meinst du Balti?“ Der kleine Barockengel Balthasar war von der Idee seines allerbesten Freundes begeistert. Nicht von dem Teil, mit dem Erzählen anzuhalten, dazu war er viel zu sehr in seine Geschichte vertieft. Aber der Teil mit dem Getränk, der sagte ihm zu. „Was wollen wir trinken?“, fragte Vitus. „Tee oder Saft? Und wenn ja – welchen?“, ulkte er herum. Sie entschieden sich beide für einen eiskalten Traubensaft. „Erzählen macht auch durstig“, sagte Balthasar. „Zuhören aber noch viel mehr“, bestätigte Vitus.

         „Johann Ambrosius ist ein komischer Name“, sagte Vitus und ergänzte: „Aber Vitus finde ich auch ein wenig altmodisch. Ich würde viel lieber Sven heißen oder Tobi oder Kevin.“ Überlegte er und Balthasar entgegnete: „Ja, ich fand meinen Namen auch am Anfang nicht so toll, aber jetzt ist er doch etwas ganz Besonderes – gerade weil nicht so viele kleine Barockengel heißen wie ich. Vitus überlegte: „Ein kleiner Barockengel, der Harry heißt, oder Mike oder Leon – das wäre schon ein lustiger Name für einen Barockengel. Hat es in dieser Rock-Zeit auch rockige Namen gegeben?“ „Es heißt Ba - rock und was ist denn ein rockiger Name, Vitus? Menschen haben schon immer zu bestimmten Zeiten bestimmte Namen mal schicker, mal weniger schick gefunden.“ „Also, ich finde“, unterbrach ihn Vitus, „eigentlich Vitus gar nicht mehr so schlecht. Und Balthasarius ebenfalls nicht.“ Vitus krümmte sich vor Lachen, wusste er doch, dass Balthasar eines nicht mochte: Das war, wenn Vitus mit seinem Namen herumalberte.

         „Aber Johann Ambrosius ist komisch.“ Vitus hatte das Thema mit den komischen Namen immer noch nicht abgeschlossen. „Aber so hieß er halt.“ „Und lebte der auch in diesem Wech?“ „In Wechmar? Nein, Johann Ambrosius Bach lebte nicht in Wechmar. Zuerst wohnte der in Erfurt, dann – später – zog er nach Eisenach.“ „Aber wir wollten doch eine Pause machen“, sagte Balthasar zu Vitus. Beide nahmen – das war lustig – genau zur selben Zeit einen tiefen Schluck des köstlichen Traubensaftes. „Und wir brauchen Kekse! Zur Stärkung.“ „Keine schlechte Idee. Also, Kekse zur Geburt von Johann Sebastian Bach. Dann feiern wir ihn doch, diesen Johann Sebastian. Aber zuerst machen wir eine Pause.“ Balthasar und Vitus aßen abwechselnd die verschiedenen Kekse, es war eine richtige Keksmischung, aber sie stritten nicht, weil kleine Barockengel erstens fast nie streiten und zweitens dem einen diese Kekse besser schmeckten, dem anderen die anderen.

 

 

Kapitel 3

 

Als alle Kekse restlos aufgegessen waren, schnappte sich Vitus den Teller und leckte die Krümel komplett ab. Er grinste verschmitzt. Denn er wusste, dass sich das eigentlich gar nicht gehörte. Und als ob das nicht schon genug war, meinte er: „So, nun müssen wir den Teller nicht einmal mehr spülen.“ Auch unter kleinen Barockengeln gab es gutes Benehmen – das kannten alle. Aber nicht alle wollten sich immer ordentlich benehmen – und natürlich musste das Geschirr gespült werden nach dem Essen. Wie überall. „Den Teller hier aber nicht mehr“, sagte Vitus fröhlich. Balthasar nahm sich vor, das später doch zu erledigen. Nach dem Erzählen seiner Geschichte.

         „Wer – um alles in der Welt – ist jetzt eigentlich dieser eine besondere Bach?“, fragte Vitus etwas gedehnt. „Wenn ich mir so viele Geschichten von diesem einen Bach anhöre, möchte ich doch eigentlich gerne vorneweg wissen, warum der sooooooooo berühmt ist. Kann er denn sooooooooo“, Vitus übertrieb nun wirklich die Anzahl der ‚os’, „sooooooooo gut Musik spielen?“ „Nun“, begann Balthasar den nächsten Teil der Geschichte. „Johann Sebastian Bach hat nicht nur Musik gespielt, er hat sie auch gemacht.“ „Was heißt denn gemacht?“, fragte Vitus sofort, „Wenn ich auf meiner Geige spiele oder mich ans Klavier setze, dann mache ich doch auch Musik. Was ist denn der Unterschied?“ „Na, Johann Sebastian Bach hat sich eben auch überlegt, wie es sich denn anhört, wenn man einen Ton an den nächsten setzt. Und das mal so und danach mal anders tut. Und er hat sich überlegt, dass es doch schön klingen müsste, wenn einmal nur eine Geige spielt, an einer anderen Stelle dagegen ganz viele Geigen.“ „Und noch später noch viel mehr Geigen“, meinte Vitus. „Ja. Und dann hat Johann Sebastian sicherlich auch darüber nachgedacht, wie sich verschiedene Instrumente abwechseln könnten. Und das alles hat man früher Töne setzen genannt. Ton setzen. Johann Sebastian Bach war also ein Tonsetzer.“

         Vitus staunte. „Tonsetzer, das habe ich ja auch noch nie gehört. Ist das denn so etwas wie Tondichter? Das habe ich nämlich schon einmal gehört“, plapperte Vitus munter weiter. Er war mächtig stolz darauf, dass er auch etwas gewusst hatte. Dass er sich also in der Musikszene – wie alle das heute nennen – in der Musikszene von früher schon recht gut auskannte, so meinte er. „Ja, richtig, Tonsetzer oder Tondichter, so nannte man die Leute, die heute Komponisten heißen“, sagte Balthasar. Vitus nickte eifrig, Komponist, das hatte er auch schon gehört. „Also ist der Johann Sebastian Bach Komponist gewesen“, stellte Vitus fest. „Richtig“, entgegnete Balthasar „und was für einer!“ „Und ein Musiker auch“, ergänzte Vitus. „Richtig, und ein Musiker auch.“ plapperte jetzt Balthasar nach, der natürlich wusste, dass ein Komponist ein Musiker war.

         „Wo ist dieser Johann Sebastian geboren?“, fragte Vitus. „In Eisenach, auch in Thüringen“, antwortete sein Freund. „Er war also berühmt damals. In Ei - se - nach.“ „Nein Vitus, in Eisenach war er noch nicht berühmt. Da war Johann Sebastian ja noch klein. So klein wie wir beide etwa. Vielleicht auch noch kleiner. Über diese Zeit, die der kleine Johann Sebastian Bach in Eisenach verbrachte, ist nicht mehr wirklich viel bekannt. Berühmt wurde er dann erst viel, viel später. Da allerdings – wurde er sehr berühmt. Aber richtig wirklich ganz berühmt – das wurde er erst lange, lange, nachdem er gestorben war. Und dann wurde er immer und immer berühmter.“

         Vitus hatte ein ungläubiges Staunen im Gesicht. Man merkte ihm an, dass er es nicht wirklich richtig verstand. Wie konnte jemand immer berühmter werden, wenn er doch gar nicht mehr lebte. „Wie geht denn so was?“, prustete er heraus. „So etwas geht nicht!“ „Doch“, entgegnete Balthasar. „Als Johann Sebastian Bach seine Musik komponierte“, Vitus fiel ihm ins Wort: „als er die Töne dichtete.“ „Ja, als Johann Sebastian damals seine Töne dichtete, da haben die meisten Menschen gar nicht erkannt, wie ungeheuer supertoll seine Musik eigentlich war. Nur andere Musiker und andere Tondichter wussten das. Und so ein anderer Tonsetzer, dir gefällt ja das Wort Tondichter am besten, richtig?“ „Yup“, bestätigte Vitus. „So ein anderer Tondichter eben, er hieß Felix Men - dels - sohn   Bar - thol - dy, der mochte Johann Sebastians Musik, wie sonst überhaupt nichts anderes auf der Welt.

         Und dieser Felix spielte 100 Jahre später eines der schönsten Werke von unserem Johann Sebastian vor ganz vielen Menschen. 100 Jahre lang – das ist so viel Zeit, wie dein Opa alt ist.“ „Mein Opa heißt auch Vitus“, sagte Vitus „und ich heiße Vitus, weil mein Opa ein toller Musiker war, sagte Papa“, fügte Vitus hinzu. „Also, dieser Felix, der hat die Matthäus-Passion ...“ „Was ist die Matthäus-Passion?“, unterbrach Vitus Balthasar. „Unterbrich’ mich doch nicht dauernd“, sagte Balthasar ein ganz klein wenig genervt. Aber er konnte natürlich verstehen, dass Vitus das wissen wollte. „Das – weiß ich auch noch nicht so ganz genau, Vitus. Vielleicht wollen wir das einmal googeln, im Internet, nächste Woche.“ Vitus gab sich zufrieden. „Also, ungefähr 100 Jahre nachdem Johann Sebastian dieses Werk geschrieben hatte, führte dieser Felix die Matthäus-Passion vor ganz vielen Menschen auf, die sich über ein dreiviertel Jahrhundert lang nicht für Bachs Musik interessierten. Ein dreiviertel Jahrhundert, das sind 75 Jahre. Alle waren ganz begeistert von dieser Aufführung der Matthäus-Passion.“ Vitus nickte, als ob er sagen wollte: „Ich wusste, sie würden das mögen. Und dann?“ Er konnte es einfach nicht abwarten. „Dann, also nachdem der Felix ..., weißt du noch, wie er hieß?“ „Felix“, antwortete Vitus schnell wie eine Kanonenkugel. „Ja, aber wie noch?“ „Mendel ...“, sagte Vitus und, „... Bart.“ „Nicht ganz“, korrigierte ihn Balthasar, „aber du bist ja auch ein Musikengel und kein Engel, der Geschichten erzählt. Deshalb ist das nicht so schlimm. Und den ganzen Namen kann man sich auch wirklich schwierig merken. Also – er hieß Men - dels- sohn  Bar - thol - dy. Probier’s einfach ‘mal.“ Und Vitus versuchte sich: „Mendelin Bar - tholdy.“ Vitus hatte wohl ein wenig zu lange Geschichten gehört und er wurde nicht nur unruhig auf seiner kleinen weißen Wolke, er wurde auch ein wenig – albern. „Oder Mendelinum Bartoldelinum?“ Balthasar schüttelte den Kopf. „Mendelssohn Bartholdy. Und ich glaube, wir müssen nach diesem anstrengenden Kapitel über den großen Johann Sebastian Bach eine ganz kleine Pause zum Ausruhen einlegen.

         Was hältst du denn davon, wenn du versuchst, ein wenig Musik von Johann Sebastian zu spielen? Du hast ja deine Noten, und wie es geht, das hast du ja gelernt. Und ich bin natürlich auch nicht böse, wenn das am Anfang noch nicht so toll klingt. Und danach, danach machen wir einen kleinen Mittagsschlaf. Und wenn wir fertig sind mit dem Mittagsschlaf, erzähle ich dir vom Papa von Johann Sebastian, wo der in Eisenach lebte und wie der zusammen mit Johann Sebastian zum Musizieren ging. Nämlich, um Geld für die Familie zu verdienen.“ Vitus setzte sich an sein kleines Cembalo, das er zum Üben auf seiner Wolke hatte. Er zupfte sich die losen Enden seiner kleinen Wolke zurecht, machte ein ganz ernstes Gesicht, schlug die erste Seite in seinem kleinen Notenheft auf und begann zu spielen. Schön klang das, gleich beim ersten Mal, ganz ohne vorher zu üben. Aber, so dachte Balthasar, das können kleine Barockengel eben. Sie können Dinge viel, viel schneller und viel, viel leichter tun. Beide lachten bei so schöner Musik und weil sie so viel Neues ausgetauscht hatten. Und weil sie sich so gut unterhielten und auch voneinander lernten. Und: weil jetzt so schöne Musik dieses dritte Kapitel der Geschichten rund um Johann Sebastian Bach beendete. Beide waren sie hundemüde. Sie gähnten um die Wette, sodass die Münder fast nicht mehr größer werden konnten. Und sie schliefen in Nullkommanix ein.

 

 


Renate Bach Verlag „Bach 4 You“ – Bildstraße 25, 74223 Flein – Tel.: 07131 576761 – info (at) bach4you.de